In einer eMail vom 24.08.2012 07:07:51 Westeuropäische Sommerzeit schreibt
b1.702@gmx.at:
Ähm - habt ihr da noch das "deutsche Einheitsstellwerk" (Seilzüge und
mechanische Verriegelung der Fahrstraßen durch Nocken und Nuten an den
Zahnrädern der Steuerelemente)?
Bei einem elektronischen Stellwerk ist meines Wissens nach bei Ausfall
von wesentlichen Sicherheitseinrichtungen überhaupt kein Stellen der
Weichen mehr möglich, es sei denn per Kurbel vor Ort. ;-)
Hallo!
Das Stellwerk Tgl wurde im Zusammenhang mit dem Bau der östlich der
Kremmener Bahn verlaufenden Autobahn Berlin - Hamburg Anfang der 1980er Jahre
errichtet. Es ersetzte das noch heute als Gebäude östlich des Bahnsteigs
vorhandene Stellwerk. Da das neue Stellwerk und seine Sicherungsanlagen vom
West-Berliner Senat, als Verursacher der Umbauten, bezahlt werden musste, wurde
es in der damals aktuellen Stellwerkstechnik der Bundesbahn errichtet: es
ist ein Siemens SpDrS60, also ein Gleisbildstellwerk mit Spurplantechnik und
Gleisfreimeldeanlagen aus Gleisstromkreisen.
Damals herrschte hier noch reger Güterverkehr und dreimal wöchentlich
endete und begann ein französischer Militärschnellzug nach Strasbourg. Heute
herrscht hier nur noch S-Bahnbetrieb.
Zur Unfallursache erschien in der Zeitung "Neues Deutschland" ein
überraschend fachkundiger Artikel:
_http://www.neues-deutschland.de/artikel/236369.html_
(http://www.neues-deutschland.de/artikel/236369.html)
Menschliches Versagen offenbar Ursache für S-Bahn-Unglück
Unterdessen verdichten sich die Hinweise, dass dass Unglück in Tegel, bei
dem sechs Menschen verletzt wurden, durch menschliches Versagen verursacht
wurde. Ein Fahrdienstleiter hat offenbar die Weiche, an der sich der Unfall
ereignete, zu früh umgestellt. Vorausgegangen war der Ausfall von
Sicherungstechnik durch einen Blitzeinschlag. Danach funktionierten neben Schranken
auch Gleisfreimeldeanlagen nicht mehr, die den Mitarbeitern im Stellwerk
anzeigen, ob ein Gleisabschnitt gerade von einer S-Bahn befahren wird.
Zum Zeitpunkt des Unglücks war das Stellwerk mit zwei Fahrdienstleitern
besetzt, wovon allerdings einer nur zur Einweisung nach längerer Abwesenheit
anwesend war. Sie hätten sich auf anderem Wege davon überzeugen müssen, dass
der Abschnitt frei ist, bevor die Weiche dann manuell gestellt werden
konnte.
Da die Strecke mit der Weiche vom Stellwerk aus nicht einsehbar ist, hätte
auf die Rückmeldung vom nächsten Bahnhof gewartet werden müssen, dass der
Zug dort eingetroffen ist, so ein Insider gegenüber nd. Dies sei offenbar
nicht erfolgt, sondern die Weiche sei »nach Zeit« gestellt worden. Das heißt,
der Stellwerker habe solange gewartet, wie ein Zug normalerweise braucht,
um nach Ausfahrt aus dem Bahnhof Tegel den Abschnitt mit der Weiche zu
passieren. Der fatale Irrtum: Der Zug brauchte diesmal länger, weil er wegen
der durch den Blitzeinschlag defekten Schranke langsamer fahren musste.
»Der Fahrdienstleiter war in dieser Situation schlichtweg überfordert«, so
der Experte und weist auch den Bahn-Chefs Mitverantwortung zu. »Statt ihn
noch mit Ausbildungsaufgaben zu belasten, hätte man ihm nach dem
Blitzeinschlag Leute zur Unterstützung schicken müssen.« Überhaupt seien die
Fahrdienstleiter schlecht auf solche Störfälle vorbereitet. So sei es in den
vergangen Wochen häufiger zu Unregelmäßigkeiten bei Zugmeldungen gekommen.
Offenbar reagiert die Bahntochter DB Netz, die die Stellwerke betreibt,
auf diese Vorfälle: Für nächste Woche sind Stellwerker zu Schulungen
einbestellt. Die Bahn selbst wollte sich zu diesen »internen« Vorgängen nicht
äußern. Die Unfallursache werde noch untersucht. Das Eisenbahnbundesamt
bestätigte aber, dass die »betrieblichen Abläufe« im Fokus stünden einschließlich
der »Betriebshandlungen im Stellwerk«. Aber auch Fahrzeuge und Infrastruktur
würden untersucht. Gesicherte Erkenntnisse gebe es aber noch nicht, so
Sprecher Moritz Huckebrink.
Hier ein Bild aus Google-Earth mit beschrifteten Örtlichkeiten:
Gleispläne der Kremmener Bahn und natürlich auch des Bf. Tegel zu
verschiedenen Zeiten gibt es hier:
_http://www.stadtschnellbahn-berlin.de/pdfdateien/kremmenerbahn.pdf_
(http://www.stadtschnellbahn-berlin.de/pdfdateien/kremmenerbahn.pdf)
der aktuelle Zustand am Schluss der Datei.
Mit freundlichem Gruß aus Berlin
Harald Tschirner
HTschirner@aol.com